Werktäglich pendle ich zwischen Wohnort und Arbeitsplatz. Pro Woche kommen so über 120 Kilometer zusammen. Eigentlich wollte ich schon öfters mal Bus und Bahn nutzen. Aber… es gab einfach zu viele „Abers“. Mal eine kleine Auswahl:
- Aber die Fahrt mit Bus und Zug dauert doch viel länger als mit dem Auto!
- Aber das ist doch viel komplizierter als mit dem eigenen Auto – und Umsteigen muss ich auch noch!
- Aber wenn ich immer pünktlich aus dem Haus muss um den Bus zu bekommen, dann bin ich Morgens gehetzt und angespannt!
- Aber das kostet doch so viel mehr!
- Aber wenn ich Abends etwas in der Stadt unternehmen möchte, komm ich dort mit den ÖPNV nicht so einfach hin!
- Aber am Abend fahren die Züge nur noch im Stundentakt nach Hause und nach 22:30 Uhr garnicht mehr – das schränkt mich zu sehr ein!
- Aber wenn ich den letzten Zug nach Hause um 22:25 Uhr nicht bekomme, sitze ich fest!
- Aber wie kommen die schweren Einkäufe vom Markt nach Hause?
Es ist einfach bequem zu wissen, dass mein Auto geduldig auf mich wartet, bis ich mit meiner morgendlichen Routine fertig bin. Es entspannt, dass ich am Abend jede Veranstaltung bequem erreichen kann, egal wo sie ist. Es erleichtert, die schweren Einkäufe bequem auf der Rückbank transportieren zu können. Und es ist angenehm, nie auf die Uhr schauen zu müssen, weil der Bus sonst vor der Nase weg fährt.
Bei einer Fahrt im Auto erklärte ich meinen Kindern gerade, was Autoabgase für die Umwelt bedeuten. Und da fragte mich meine kluge Tochter, wieso ich denn Auto fahre, wenn das die Luft so verpestet und mir Umweltschutz so wichtig ist. Wie weise doch Kinder sind!
Diese einfach Nachfrage hat mich dazu bewegt, mir für das Jahr 2018 vorzunehmen, das Auto an mindestens drei von fünf Werktagen stehen zu lassen und mich im Selbstversuch meinen Abers zu stellen. So lasse ich mich seit Januar auf das Abenteuert ÖPNV ein. Zunächst mit dem Bus in den nächsten größeren Ort. Und von dort mit dem Zug weiter nach Freiburg. An zwei Tagen kutschiere ich meine Kinder von und zur Schule, da bleibe ich einem starken „Aber“ noch treu. Mal sehen, vielleicht kippt das auch noch.
Erfahrungen
Erstaunlich ist, wie ich das Abenteuer werte: Als sehr bereichernd! Ich genieße es, unter anderen Menschen zu sein. Auch wenn an der Bushaltestelle nicht mehr als ein kurzer Blickkontakt und freundliche „Guten Morgen“ dabei ist – irgendwie fühle ich mich mit meinen Mitreisenden verbunden. Ich merke, wie sehr ich die wenigen Minuten im Zug genieße, entweder indem ich mich entspanne, die anderen beobachte, oder die Zeit zum Lesen nutze – ein Luxus, denn dazu fand ich ansonsten kaum noch Zeit.
Letztens bin ich zu meinem Musikunterricht in den Außenbezirken von Freiburg gefahren. Ich stieg eine Station zu früh aus, weshalb ich etwas gehetzt die Bushaltestelle auskundschaften musste, von wo aus die Reise weiter gehen sollte. Es war eine schön Erfahrung, dank hilfsbereiter Menschen die Bushaltestelle rechtzeitig zu erreichen.
Einmal bin ich zwar in die richtige Straßenbahnlinie, jedoch in der falschen Fahrtrichtung eingestiegen und kam zu einem Termin 20 Minuten zu spät. Und merke, wie ich entspannter mit solchen Situationen umgehe. Denn beschleunigen kann ich die Straßenbahn nicht, wenn ich mir ärgere.
Das Abenteuer ÖPNV geht weiter. Morgen wird meine Zugverbindung wegen Baumassnahmen bis zum Jahresende eingestellt. Das wird bestimmt chaotisch. Ich freue mich darauf 😉
Was bringt es der Umwelt
Jede Woche bringt mein VW-Bus 100 km weniger auf die Straße. Das spart jährlich 450 Liter Diesel und stolze 1.188 Kilogramm CO2. Und natürlich kommen weniger Rußpartikeln und andere giftigen Inhaltsstoffen in die Natur. Und die Betreiber der ÖPNV freuen sich über meine kleine Unterstützung.
Fazit
Das hätte ich nicht gedacht: Ein Gewinn von Lebensqualität durch die Nutzung von Bus und Bahn. Und auch, weil ich meinen Werten dadurch etwas treuer geworden bin.
Sicher habt Ihr auch viele berechtigte „Abers“ so wie ich. Vielleicht wagt Ihr dennoch einfach auch mal das Experiment?